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Der auf dem Handy tippende Schöffe

Erster Verhandlungstag. Amtsgericht Itzehoe. Schöffengericht. Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. 3 Messerstiche in den Oberarm. 3 Mitgliedern der Bandido‘s wird vorgeworfen mit einem weiteren unbekannten Mittäter einem Mitglied der Hells Angels überfallen und verletzt zu haben.

Aufruf der Sache

Aufruf 09.00 Uhr. Der Nebenklägervertreter und der Nebenkläger sind nicht anwesend. War schon erstaunlich, dass ein Fullmember der Hells Angels überhaupt als Nebenkläger auftritt. Anordnung des Vorsitzenden: Die Hauptverhandlung wird bis 09.15 Uhr unterbrochen. Eventuell kommen die fehlenden Personen noch. Alle anderen notwendigen Verfahrensbeteiligten sind anwesend. Schon mal ungewöhnlich, da der Nebenkläger und sein Vertreter nicht zwingend zu Beginn der Hauptverhandlung anwesend sein müssen. Die Schöffen und der Vorsitzende ziehen sich zurück.

Um 09.15 Uhr fehlen die Beiden immer noch. Es kommt zur Anklageverlesung. Belehrung der Angeklagten. Schweigen im Walde. Nächste Unterbrechung. Der erste Zeuge ist der Nebenkläger. 10.00 Uhr. Der Nebenkläger und sein Prozessbevollmächtigter sind da. Im erwarteten Stil geht es weiter. Nichts gesehen, nichts gehört, nur überfallen worden. Waffen habe er nicht gesehen. Im Rahmen seiner Erstangaben im Krankenhaus hatte er noch gesagt, es sie ihm eine Waffe an den Kopf gehalten worden. Nichts dergleichen. Trotz intensive Nachfrage des Vorsitzenden. Niemanden erkannt. Keine Folgen mehr. Er ist nicht mehr Mitglied im Club. Nach ca. 20 Minuten ist die Vernehmung beendet.

Er setzt sich neben seinen Prozessbevollmächtigten. Beeindruckend tätowiert. Auf der linken Hand auf den Fingern § 2 2 4. Jedes Zeichen auf einem anderen Fingern. Auf der rechten Hand auf seinen Fingern § 1 8 1a. Ob das ein Hinweis auf von ihm begangene Straftaten ist?

Dann seine Freundin. Kurz. Knapp und präzise. Die Wortwahl lässt vermuten, dass die Aussage abgesprochen, zumindest besprochen ist. Selbe Wortwahl. Auf dieselben Punkte hingewiesen wie ihr Freund. Auf Nachfragen: Nichts Erhellendes. Ich habe schon Mandanten vertreten, die für Weniger ein Verfahren wegen falscher uneidlicher Aussage bekommen haben. Aber insbesondere die Staatsanwältin sieht sehr blass aus – keine Nachfragen.

 

Mittagspause

Mittagspause. Von 11.00 bis 13.00 Uhr.

Während der nächsten Zeugenaussage, die erste mögliche Tatzeugin, kaum Nachfragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft. Ein Haufen Fragen der Verteidiger. Immer wieder. Ein Widerspruch nach dem anderen wird herausgearbeitet. Zwischen der jetzigen Aussage und ihren Erstangaben. Zwischen den Erstangaben und ihrer Jetzigen. Es häufigen sich immer mehr Auffälligkeiten. Noch mehr Widersprüche. Es wird immer deutlicher: Knallzeugin. Der Kollege neben mir ist gerade dran. Wo war das Auto des Opfers geparkt? Wieso hat sie das wahrnehmen können? Wann hat sie das wahrgenommen? Hat sie was gehört oder gesehen? War sie am Auto? In welche Richtung parkte das Auto? Konnte auf der Beifahrerseite ausgestiegen werden? Die Lichtbilder vom Tatort vom Tattag werden am Richtertisch in Augenschein genommen. Nachfragen bei den Bildern. Standort des PKW des Geschädigten besser dokumentiert auf den Bildern als in so mancher Unfallsache. Zurück zum Zeugentisch. Fragen um den PKW, es geht weiter. Nächster Punkt der von dem Kollegen überprüft werden soll.

 

Der tippende Schöffe

Bei einem zufälligen Blick von der Zeugin auf die Richterbank sehe ich, der Schöffe rechts hält sein Handy in der Hand. Er tippt darauf herum. Kurzer Blick zur Zeugin und den Kollegen. Die sind alle auf die Zeugin fixiert. Ich schaue wieder auf den Schöffen. Verständnisfragen des Vorsitzenden Richter. Er versteht angeblich die Fragen des Kollegen nicht. Schöffe immer noch den Blick auf das Handy. Und schon wieder wird der Zeugin eine mögliche Antwort durch den Vorsitzenden in den Mund gelegt. Glücklicherweise ist die Zeugin nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen. Der Schöffe ist immer noch am Handy zugange. Ich mache den Kollegen, der gerade sein Fragerecht ausübt, auf den Schöffen aufmerksam. Der fragt den Schöffen: „Tippen Sie da gerade eine SMS?“ Es kommt was kommen muss. Antrag durch mich, auf sofortige Unterbrechung der Hauptverhandlung, damit ich mit meinem Mandanten erörtern kann, ob ein nicht aufschiebarer Antrag zu stellen ist. Unterbrechung 40 Minuten. Antrag gestellt. Anordnung des Vorsitzenden: § 29 II StPO, weiter verhandeln. Dienstliche Erklärung kommt zur Stellungnahme am nächsten Tag.

Dann letzter Zeuge und Schluss.

Hat es sich noch nicht rumgesprochen, dass die Nutzung des Mobiltelefons während er Verhandlung nicht erlaubt ist und zur Befangenheit führt? Der Kollege dämpft meine Erwartung. Amtsgericht. Jede Entscheidung hat keine Folgen. Es gibt so oder so eine Sperrberufung der Staatsanwaltschaft, also keine Revision möglich.

 

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