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Chaos bei Gericht und Aussagepsychologie

Heute sollte eigentlich eine Strafsache verhandelt werden, welche bei mir schon seit dem Jahr 2012 im Aktenschrank abhängt. Vorwurf der Staatsanwaltschaft: sexuelle Handlung an und vor 2 Kindern durch meinen Mandanten. Angebliche Tatzeit: 2010. Im letzten Anlauf Ende 2014 wurde die Hauptverhandlung bereits nach 1 Stunde unterbrochen. Die erste Zeugin widersprach sich in mehreren Punkten gegenüber ihrer polizeilichen Vernehmung von vor über 2 ½ Jahren. Die Zeugin stellte Handlungsabläufe anders dar und widersprach u. a. auch der Aussage von ihrer Freundin bei der Polizei. Nach ca. 10 Minuten merkte man der Richterin an, dass sie der Zeugin eigentlich kein Wort glauben würde. Bevor jedoch ausgesetzt werden sollte, wollte man die 2. Zeugin hören. Vielleicht hat die 2. Zeugin bessere Erinnerungen. Nebenbei bemerkt: Beide Zeugen sind als Nebenklägerin zugelassen.

Auch bei der 2. Zeugin ergab sich ein ähnliches Bild. Ihre Aussage war ebenfalls anders als bei der Polizei. Sie widersprach sich in wesentlichen Dingen gegenüber ihren polizeilichen Angaben. Insbesondere widersprach sie ihrer Freundin, die einen Handlungsablauf ca. 10 Minuten vorher als „1000%ig“, „so wars“, „echt“, schilderte und versicherte ihrerseits nun 1000%ig den Zuhörern das Gegenteil von dem, was ihre Freundin soeben versichert hatte. Ferner kam ein komplett neuer Handlungsablauf hervor, den noch keine kannte.

Rechtsgespräch

Es folgte ein kurzes Rechtsgespräch. Meines Erachtens hätten wir bereits im letzten Jahr das Verfahren mittels Freispruch beenden können. Beiden Zeugen hatten, bevor sie Anzeige gegen meinen Mandanten erstattet haben, mehrfach versucht „Schweigegeld“ von meinem Mandanten zu bekommen. Zunächst waren 500,00 € je Person gefordert worden. Es wurde damit gedroht, wenn er nicht zahle, hätte man noch eine 7 Jährige „auf Lager“, die er überhaupt nicht kennen würde, die würde aber auch behaupten, mein Mandant hätte sich an ihr vergangen. Gleichwohl hatte mein Mandant die Forderungen zurückgewiesen. Es wurden dann schnell aus den 500,00 € 200,00 €. Aber auch die wollte mein Mandant nicht zahlen. Es deutete sich deswegen immer mehr ein Freispruch an, aber… so schnell gibt sich ein Gericht und die Staatsanwaltschaft einem Freispruch nicht hin.

Aussagepsychologie und ein Gutachten

Ein aussagepsychologisches Gutachten sollte erstellt werden. Ganz schnell. Am besten Gestern. Dies hat sich dann 3 Monate hingezogen. Resümee war, die Sachverständige kann nicht beurteilen, ob den Schilderungen der Kinder Erlebtes zu Grunde liegen würde. Die Kinder haben der Sachverständigen gegenüber erneut eine andere, wiederum neue, Version der Geschehnisse geschildert und untereinander so häufig miteinander über die Sache gesprochen, dass die Sachverständige nicht mehr rekonstruieren kann ob und gfs. welcher Teil der Angaben der Zeugen auf Erlebten beruhen.

Es wurde dann ein Termin abgesprochen. Heute, 09.00 Uhr. Ein Schneller. Sollte ja jetzt wirklich Richtung Freispruch gehen. Auch die Staatsanwaltschaft musste sich einem drohenden Freispruch beugen. Gleichwohl wurde mit der Nebenklägerin noch geredet, dass so große die Unterschiede in den Versionen nicht seien…

Das Chaos beginnt…

Das Chaos begann eigentlich ein paar Tage früher. Auf meiner Ladung waren keine Zeugen benannt. Es wurde nur die Sachverständige aufgeführt. Auf meine Anrufe bei Gericht, mit der Nachfrage, ob denn Zeugen für den heutigen Termin geladen wurden, konnte man zunächst nichts anfangen. Ein paar Stunden später erhielt ich den Rückruf, es seien nur die Nebenklägerinnen geladen. Als Zeugen? Nein. Als Nebenklägerinnen.

Sodann teilte mir mein Mandant mit, er habe gar keine Ladung erhalten. Gleichwohl war er heute mit mir bei Gericht, da das Verfahren nun endlich zu Ende gehen sollte. Ein Freispruch rückte näher…

Bei Aufruf der Sache erschien eine Amtsanwältin, eine Referendarin in Robe, mit ca. 10 – 12 weiteren Referendaren als Zuschauer. Die Nebenklägervertreterin sowie der Verteidiger mit seinem Mandanten. Nicht erschienen waren die Nebenklägervertreterinnen. Auf ihrer Ladung stand drauf, sie müssen nicht kommen. Die Mutter und die Pflegemutter der Zeuginnen waren dann auch noch erschienen.

Aber: Die Sachverständige war nicht erschienen. Sie hatte keine Ladung erhalten.

Also war heute nach nur 10 Minuten das Chaos vorüber. Aussetzung. Alsbald geht’s weiter….

Aber erst nach der „Kieler Woche“……

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