Senden Sie uns eine E-Mail an kanzlei@marquort.de Rufen Sie uns an 0431 - 979 940 20

Ein Schokolaster, ein Rechtsgespräch und dann Bewährungsstrafe

Im Ermittllungsverfahren waren es 21 Beschuldigte mit 8 Verteidigern. Vorwurf § 244a StGB. S. g. schwerer Bandendiebstahl.

Nach § 244a StGB wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren bestraft, wer den Diebstahl unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen oder in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

Der objektive Tatbestand

Es müssen also folgende Voraussetzungen vorliegen:

Entweder müssen die Täter

1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2. eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3. gewerbsmäßig stiehlt,
4. aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5. eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6. stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7. eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

oder die Täter müssen

1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
 a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
 b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
3. einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

Dazu müssen sich die Täter zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben und die Tat unter Mitwirkung eines der Bandmitglieder begehen.

 

Das Ermittlungsverfahren

Es waren umfangreiche Telefonüberwachungen gelaufen. Die Gespräche waren meist in Russisch oder Ukrainisch geführt. Manchmal auch auf Deutsch. Ca. 85 % der Gespräche mussten übersetzt worden. Bei 21 Beschuldigten ist eine große Menge an Telefongesprächen zusammen gekommen, die vom LKA aufgezeichnet wurden. Die mussten alle angehört, bewertet und großteils schriftlich übersetzt worden. Das LKA war mit mindestens 5 Übersetzern über mehrere Monate mit den Übersetzungen beschäftig.

Es deutete sich an, dass 3 LKW samt Ladung am Wochenende vom Hof einer Spedition entwendet werden sollten.

Schließlich sollte „das Ding gedreht“ werden. Natürlich unter Observation der Polizei. Die Telefonüberwachung wurde „live“ in den Lageraum überspielt. Nachdem die 3 LKW samt Ladung vom Hof waren, erfolgte noch in Sichtweite des Hofes der Zugriff. Festnahme. 4 Fahrer. Unweit weiter wurden auf einer Autobahnraststätte weitere Täter vorläufig festgenommen. Gegen 3 Beschuldigte wurde wegen Fluchtgefahr sodann ein Haftbefehl erlassen und vollstreckt. 4 Polen, 3 Ukrainer und die Deutschen wurden auf den freien Fuß gelassen. Weitere Beschuldigten waren nicht vor Ort. Gegen die wird weiter ermittelt.

Sodann dümpelte das Ermittlungsverfahren vor sich hin; es musste schließlich die Telefonüberwachung noch vollständig übersetzt und verschriftet werden.

 

Die Abschlussverfügung

In der Abschlussverfügung ist das Ermittlungsverfahren gegen ein paar Beschuldigte nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Gegen 3 wurde Anklage zum Schöffengericht erhoben. Die restlichen Beschuldigten wurden abgetrennt. Die gesamte Bandenabrede ergab sich, so die Anklageschrift, aus der Telefonüberwachung. Über 6.000 Gespräche, die meisten wurden als relevant eingestuft. Die Akten waren mehr als 10.000 Seiten dick. Weit mehr als die Hälfte war auf die verschrifteten Gespräche zurückzuführen.

Erste Gespräche mit dem Mandanten und einer Dolmetscherin ergaben, das die von der Staatsanwaltschaft als zentral bewerteten Telefongespräche wohl teilweise fehlerhaft übersetzt wurden. Zumindest wurden diesen nicht wörtlich übersetzt, sondern nur sinngemäß. Natürlich in erster Linie sinngemäß für die Strafverfolgungsbehörden.

Es wurden sodann zunächst 10 Verhandlungstage abgestimmt. In den ersten 3 Tagen sollte die Telefonüberwachung angehört werden. Zeugen waren zunächst erst ab dem 4. Hauptverhandlungstag geladen.

 

Das Rechtsgespräch

Am ersten Tag wurde zunächst ein Rechtsgespräch geführt. Wie die Telefonüberwachung in die Hauptverhandlung eingeführt werden muss, kann und sollte. Alle 4 Verteidiger, die Staatsanwaltschaft und das Gericht hatten unterschiedliche Vorstellungen. Nachdem ich sodann verdeutlicht habe, was es heißt, die Telefonüberwachung in der Hauptverhandlung einzuführen, war wohl dem Gericht und auch den Schöffen bewusst, dass wir uns die nächsten 15 – 20 Monate regelmäßig im Gericht sehen würden. Es müsste zunächst überprüft werden, ob die Telefongespräche überhaupt von der Qualität geeignet sind, dass diese abgespielt und insbesondere erneut übersetzt werden können. Die Qualität der Telefongespräche die mir auf den drei DVDs übersandt waren, war eher miserable. Ich hatte großteils schon Schwierigkeiten die deutschen Gespräche zu verstehen.

Sodann muss in der Hauptverhandlung jedes Gespräch durch einen Dolmetscher Wort für Wort erneut übersetzt werden. Diese Übersetzung muss sodann mit den bereits verschrifteten Übersetzungen abgeglichen werden. Dies kann bei einem 3 minütigen Gespräch bis zu einer Stunde dauern, wie mir aus anderen Verfahren bekannt ist. Da die 3 Angeklagten und die gesondert Verfolgten und die gesondert Unschuldigen viel telefoniert hatten, würde eine Menge Zeit ins Land gehen. Allein die durch die Ermittlungsbehörden als relevant eingestuften Gespräche waren verschriftet fast 2.000 Seiten dick.

Sodann waren fast alle Angeklagten nicht vorbestraft. Irgentwann würde ein Gericht die Haftbefehle aufheben, da die weitere Vollstreckung der Haftbefehle unverhältnismäßig werden würde. Die Angeklagten waren bereits seit 6 Monate in Untersuchungshaft. Angeklage war vor dem Schöffengericht erhoben worden; damit war klar, mehr als 4 Jahre kann nicht rauskommen. Ferner wurde die „Tat“ unter polizeilicher Überwachung durchgeführt. Eine konkrete Rechtsgutsgefährdung war zu keinem Zeitpunkt vorhanden. Wenn dann aber ein Gericht irgentwann die Haftbefehle aufheben würde, würde das Verfahren früher oder später eingestellt werden. Die Mandanten hätten sich abgesetzt. Auch die Bandenabrede war nur schwer nachvollziehbar unter den Telefongesprächen und sie war eher eine Vermutung der Staatsanwaltschaft, als dass es tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bande im Sinne des § 244a StGB gab.

Was allerdings besonders verwerflich war, so die Richterin, dass 3 LKW mit Schokolade und anderen Süßigkeiten beladen in der Vorweihnachtszeit entwendet werden sollten. Dies müsse sich strafschärfend auswirken.

 

Die Kapitualtion

Danach kam der Vorschlag der Staatsanwaltschaft: 1 J 6 – 1 J 11 Monate auf Bewährung. Das Gericht konnte diesem Vorschlag beitreten. Es kam sodann das abgenickte Geständnis über die Verteidiger. Urteilsverkündung. 1 J 6 M. Bewährung. Bewährungszeit 2 Jahre. Keine Auflagen. Haftbefehlsaufhebung. Rechtskraft. Mandanten sind noch am selben Tag Richtung Osten verschwunden.

 

Inhalt drucken

top