Einbrecher wieder auf freiem Fuß
Am Samstagmorgen um 05.11 Uhr klingelt das Notdiensthandy. Kriminalpolizeistelle Norderstedt. 2 Einbrecher.
2 Chilenen sind verhaftet worden. Denen wird vorgeworfen, in ein Wohnhaus eingebrochen zu sein. Im Rahmen einer laufenden Observation am Vortrage gegen eine dritte Person, so der Kriminalkommissar, sei man auf die beiden mutmaßlichen Einbrecher aufmerksam geworden. Eine Person kam von einem Grundstück durch eine Hecke und auf dem Rücken trug dieser einen offensichtlich gefüllten Rucksack. Er sei sodann zu einer weiteren Person, die augenscheinlich vor dem Grundstück auf ihn gewartet und mutmaßlich „Schmiere“ gestanden habe, gegangen. Zusammen sei man dann in das observierte Fahrzeug gestiegen und zu der Wohnung der dritten Person gefahren.
Durchsuchung bei den mutmaßlichen Einbrechern
Dort kam es gegen 15.30 Uhr auf Grund der Annahme von Gefahr im Verzug durch die Polizeibeamten Hamburgs – die Wohnung lag auf Hamburger Gebiet – gegen den Dritten zu einer Durchsuchung. Diese erstreckte sich auch gegen die beiden Chilenen.
Durch eine Nachschau von Polizeibeamten konnte in der Zwischenzeit festgestellt werden, dass es auf dem Grundstück tatsächlich zu einem Einbruch gekommen war. Eine Terrassentür war aufgehebelt worden. Das Haus war teilweise durchsucht worden. Im Rahmen der Durchsuchung wurde Stehlgut aus dem Einbruch gefunden.
Beide Beschuldigten wurden sodann vorläufig festgenommen.
Haftbefehl gegen Einbrecher?
Es sollte sodann am Samstag eine Vorführung vor den Haftrichter in Norderstedt erfolgen. Die Staatsanwaltschaft Kiel würde einen Haftbefehlsantrag stellen. Es sollte der Strafverteidigernotdienst informiert werden, da beide vorläufig festgenommenen Chilenen einen Anwalt wünschten.
Nach einem weiteren Telefonat um 08:00 Uhr wurde vereinbart, dass die Vorführung gegen 13:00 Uhr in Norderstedt erfolgen sollte. Es wurde besprochen, dass ich einen weiteren Verteidiger „organisieren“ sollte. Die Verteidiger sollten die Mandanten sodann vorher gegen 11:15 Uhr noch im Polizeigewahrsam aufsuchen.
Ein Telefonat später verabredete ich mich mit einem Kieler Kollegen, dem Rechtsanwalt und Strafverteidiger Mario Taebel, in der Kanzlei. Gemeinsam fuhren wir zur Kriminalpolizei Norderstedt, um dort zusammen mit einer Dolmetscherin für Spanisch mit den Mandanten reden zu können.
Vorführung Amtsgericht Norderstedt
Gegen 13:30 Uhr verlegten wir dann zum Amtsgericht Norderstedt. Dort sollte nun um 14:00 Uhr mit der Vorführung begonnen werden.
Als mutmaßliche Einbrecher erwartete beide Beschuldigten eine Mindeststrafe von 6 Monaten gem. § 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (so genannter Wohnungseinbruchdiebstahl). Als Höchststrafe drohten maximal 10 Jahre.
Beschleunigtes Verfahren gem. § 417 StPO ?
Mehrere Versuche meinerseits ein beschleunigtes Verfahren gem. § 417 StPO durchzuführen scheiterte. Aus meiner Sicht bot sich das Beschleunigte Verfahren an. Beide Mandanten sind im gesamten Schengen-Raum nicht vorbestraft. Es lagen keine weiteren Anhaltspunkte für mögliche weitere Taten vor. Und beide haben für Montag ein Rückflugticket nach Chile. Auf Grund von möglichen Zuständigkeitsproblemen stieß dieser Vorschlag von mir leider auf wenig Zustimmung bei der Staatsanwaltschaft.
Auch eine Verschonung vom Vollzug der Untersuchungshaft konnte sich der Staatsanwalt nicht Anschließen. Die Auflage am Montag den Rückflug nach Chile anzutreten, stieß beim ansonsten sehr bedacht agierenden Staatsanwalt auf wenig Gegenliebe. Dies sei mit dem Zweck der Untersuchungshaft aus seiner Sicht nicht vereinbar.
Aussicht im weiteren Verfahren
Allerdings hatten beide eine besonders harte Strafe wohl nicht zu erwarten. Mein Mandant hatte bereits ein Teilgeständnis abgegeben. Er hatte auf dem Belehrungsbogen über die vorläufige Festnahme in spanischer Sprache auch angekreuzt, dass er „die Tat“ zugibt. Beide mutmaßlichen Einbrecher verfügen über einen festen Wohnsitz in Chile. Beide sind dort mit ihrer Familie verwurzelt. Auch sind beide mutmaßlichen Einbrecher nicht vorbestraft gewesen. Im Falle eines Geständnisses würde Beiden lediglich eine kurze Freiheitsstrafe drohen. Diese würde auch sehr wahrscheinlich zur Bewährung ausgesetzt werden. Wir waren uns auch einig, dass eine Verurteilung wohl noch im Wege eines Strafbefehls erfolgen kann. Es drohte also nur eine Strafe bis zu einem Jahr.
Nach einer längeren Diskussion konnten wir uns schließlich einigen. Nach einem richterlichen Geständnis durch die Beschuldigten und Bevollmächtigung der Anwälte als Zustellungsbevollmächtige, im weiteren Verfahren kann so eine Verurteilung im Wege des Strafbefehls erfolgen, sagte uns der Staatsanwalt zu, dass er, nachdem dies zu Protokoll erklärt wurde, den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurücknehmen werde. Es würde dann ein richterliches Geständnis vorliegen. Die Anwälte wären dann zustellungsbevollmächtigt, so dass ein Strafbefehl zugestellt werden kann. Auch bestünde aus seiner Sicht, mit Verweis auf Meyer-Goßner, ein Kommentar der Strafprozessordnung, keine Fluchtgefahr mehr, wenn die Beschuldigten ihren Wohnsitz in Chile angeben würden.
Rücknahme des Haftbefehlsantrag durch die Staatsanwaltschaft
Nachdem mein Mandant sodann ein richterliches Geständnis abgegeben hatte, er seinen Wohnsitz und seine sozialen Bindungen in Chile angegeben hatte und mich als Zustellungsbevollmächtigten angegeben hatte, wurde der Einbrecher auf freien Fuß gesetzt. Eine halbe Stunde später wurde auch der zweite Einbrecher auf freien Fuß gesetzt.
Dies ist ein seltenes, aber aus meiner Sicht auch ein gutes Beispiel für ein frühes Geständnis eines Beschuldigten. Es konnte die weitere Vollstreckung der ansonsten drohenden Untersuchungshaft abgewendet werden. Denn im anderen Fall wären beide Einbrecher nicht auf freien Fuß gekommen, sondern für mindestens 6 – 9 Monate in Untersuchungshaft abgeführt worden.
Ein solches frühes Geständnis sollte jedoch nur nach umfangreicher Abwägung der einzelnen Beweismittel und prozessualen Gegebenheiten nach Rücksprache mit einem Strafverteidiger erwogen werden.
Zumindest haben es die beiden Einbrechen auf freiem Fuß jetzt in der Hand, zu ihren Familien nach Chile zurück zu kehren. Sollten sie diese Chance nicht nutzen und weitere Straftaten begehen, geht es beim nächsten Mal unweigerlich in Untersuchungshaft. Mit weiterer Milde können sie dann nicht mehr rechnen.
So war der Einsatz um 18:00 Uhr zurück in der Kanzlei schließlich beendet.