Hat das LKA entlastende Beweise unterschlagen
Manchmal dauert es lange, bis die Wahrheit an den Tag kommt. In diesem Fall fast 7 Jahre. Am 04.05.2017 schrieb der Schleswig-Holsteinische Landtagsabgeordnete der Piraten Patrick Breyer auf seiner Homepage, dass das Kieler Landeskriminalamt (LKA) entlastende Beweise unterdrückt und gewissenhafte Kriminalbeamte geschasst haben soll. Es soll sich bei dem Verfahren um das Verfahren wegen der Messerstecherei im Schnellrestaurant Subway in Neumünster handeln. Dies war ein Verfahren, in dem ich einen der Angeklagten verteidigt hatte, welcher freigesprochen worden war. Ähnliche Vorwürfe erhebt auch die TAZ. Am 12.05.2017 und am 12.05.2017 meldeten die Kieler Nachrichten ähnliches. Ebenso die Welt und das Hamburger Abendblatt unter dem 10.05.2017.
Das Kieler LKA soll im Jahr 2010 eine entlastende Aussage zugunsten zweier Beschuldigter großteils unterdrückt und die seinerzeit ermittelnden Beamten mit allen Mitteln daran gehindert haben. Dies ist in der Verfahrensakte nicht korrekt protokollieren worden. Auch im Rahmen der Aussagen vor Gericht ist dies nicht richtig gestellt worden.
Diese Unterstellung ist ungeheuerlich. Das LKA soll Beweise unterschlagen haben. Und nicht nur das. Das LKA soll ferner das Gericht seinerzeit bewusst durch eine Erklärung in die Irre geführt haben. Beide Kriminalbeamte, die seinerzeit die Ermittlungen geführt hatten, sind massiv unter Druck gesetzt und schließlich gegen ihren Willen versetzt worden.
Der Vorfall im Einzelnen
Am 13.01.2010 wurden 3 Mitglieder der “Red Devils MC Alveslohe” durch Mitglieder des ehemaligen Probationary Chapter Neumünster und Mitglieder deren Supportorganisationen im Schnellrestaurant Subway angegriffen. Einer der 3 Red Devils wurde mit einem Messer verletzt. Der Anklage liegt ein hochdynamisches Geschehen, mit mehreren, maskierten, mutmaßlich Beteiligten zugrunde. Für die Tat gibt es nur wenige unbeteiligte, unmittelbare Augenzeugen.
Drei Mitglieder des Motorradclubs “Red Devils MC Alveslohe” hatten am frühen Abend des 13. Januar 2010 das Schnellrestaurant „Subway“ betreten, um dort etwas zu essen. Die Fast-Food-Filiale im Erdgeschoß und ein darüber gelegenes Café wird von den ortsansässigen Bandidos als regelmäßiger Treffpunkt beansprucht und aufgesucht. Dies nahm die als Angestellte in dem Schnellrestaurant arbeitende, wegen Beihilfe gesondert verfolgte B., nach Auffassung der Anklagebehörde “absprachegemäß” als Anlass, den mit ihr befreundeten Angeklagten Thomas K. über das Erscheinen der drei Red Devils zu benachrichtigen. Der soll daraufhin unverzüglich weitere Mitglieder des “Bandidos MC Probationary Chapters Neumünster” informiert haben.
Die Veröffentlichung von Herrn Patrick Breyer
Auf seiner Homepage führt Patrick Breyer weiter aus, dass „Der V-Mann-Führer im LKA den beiden Ermittlern am 9.6.2010 mitgeteilt habe, ihm habe ein langjähriger Informant gesagt, ein in Untersuchungshaft befindlicher Beschuldigter habe sich zur Tatzeit nicht am Tatort aufgehalten. Auch ein anderer Beschuldigter sei nicht Täter der Körperverletzung gewesen (beide Beschuldigte wurden letztlich auch tatsächlich freigesprochen). Diese Aussage solle jedoch nicht in der Ermittlungsakte dokumentiert werden. Dieses habe der V-Mann-Führer dem Informanten versprochen.
Die Ermittlungsbeamte halten dies für rechtswidrig, voraussichtlich sogar für strafbar. Zum einem sei dem Informanten keine förmliche Vertraulichkeit zugesichert worden (kein VP-Status). Dies hätte man nach den einschlägigen Richtlinien auch nicht gedurft, da der Informant selbst tatverdächtig gewesen sei. Und: Beweise unterschlagen lässt sich nicht mit der Objektivität der Ermittlungsbehörden vereinbaren.
Die Ermittler wollen die Identität des Informanten in Erfahrung bringen, weil dieser die tatsächlichen Täter benennen könnte. Gleichwohl stellten sich die Vorgesetzten der Ermittler trotz Remonstration auf die Seite des V-Mann-Führers und untersagten die Dokumentation der entlastenden Aussage in der Ermittlungsakte. Begründung: Schutz des Informanten. Dieser wiege “schwerer als der Erkenntnisgewinn für das Gerichtsverfahren”. Das Vorgehen sei angeblich mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt. Der zuständige Staatsanwalt soll jedoch später erklärt haben, nicht vollständig ins Bild gesetzt worden zu sein.
Aufhebung eines Haftbefehls
Sodann wurde einer der beiden Haftbefehle am 17.06.2010, mit der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beantragt, durch die 10. große Strafkammer außer Vollzug gesetzt. Der Beschuldigte wurde somit aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Haftbefehl bestand aber fort.
Dem zuvor war eine Haftbeschwerde des Verteidigers des Beschuldigten H. vorausgegangen. Diese war ausschließlich damit begründet worden, dass der Verteidiger entgegen der Zusage der Staatsanwaltschaft keine vollständige Akteneinsicht erhalten hatte. Von irgendwelchen angeblichen persönlichen Gründen stand in der Haftbeschwerde kein Wort. Gleichwohl soll der Haftbefehl aus persönlichen Gründen aufgehoben worden sein.
Der Aufhebungsbeschluss sah wie folgt aus:
Die Vernehmung der Quelle
In den Akten befanden sich bis zur Anklageerhebung 3 Quellenvernehmungen. Eine vom 15.01.2010, eine vom 28.01.2010 und eine vom 20.01.2010. Unter dem 23.06.2010 ging ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Kiel vom 21.06.2010 beim Landgericht Kiel ein, in dem eine weitere Quellenvernehmung vom 09.06.2010 übersandt worden war.
Die Quellenvernehmung vom 15.01.2010
Die Quelle war zufällig vor Ort. Sie hat sich selbst bei der Polizei gemeldet. Die Person hat neben dem Tatort in einem Durchgang gestanden. Die Person soll gesehen haben, wie ein Red-Devils vor dem Subway gestanden habe. Plötzlich seien ca. 10 Personen, schwarz gekleidet, gekommen. Die Person vor dem Subway sei geschubst worden und dann geschlagen worden. Der Red Devils sei sofort zu Boden gegangen. Die anderen seien rein und plötzlich wieder raus. Die schwarzen Personen seien dann mit PKWs welche in der Nähe geparkt haben, weggefahren.
Die Quellenvernehmung vom 20.01.2010
An Hand von sequentiellen LIBIs will die Quelle 2 Personen definitiv widererkannt haben. Was die beiden Personen gemacht haben sollen, wisse er nicht.
An Hand von weiteren in den Akten befindlichen Beweismitteln ergibt sich, dass zumindest eine der beiden von der Quelle benannten Personen zumindest nicht am Tatort gewesen sein kann. Dies ergibt sich aus retrograden Verbindungsdaten und anderen Zeugenvernehmungen.
Die Quellenvernehmung vom 28.01.2010
In der Quellenvernehmung vom 28.01.2010 steht drin, dass diese Quelle keine der Personen auf den sequentiellen Lichtbildvorlagen erkennt.
In der Quellenvernehmung vom 09.06.2010 ist lediglich noch einmal enthalten, wo sich die Quelle genau befunden hat, als sie ihre Wahrnehmungen gemacht hat, nämlich in einem Durchgang neben dem Tatort. Ferner wiederholt er seine Angaben zu den Fluchtautos.
Daraus ergab sich schon damals der Verdacht, dass mehr als eine Person als „Quelle“ gedient haben muss.
In der Hauptverhandlung hat der vernehmende Beamte seinerzeit sodann ausgeführt, dass die Person, welche die Quelle sein soll, in einem PKW an dem Tatort zufällig vorbei gefahren sein soll. Dies passt nicht mit den bisherigen Angaben in den Akten überein.
Ermittlungsbeamten stoßen auf Granit
Nach langen und erfolglosen Bemühungen auf dem Dienstweg übergibt der unmittelbar Dienstvorgesetze des Ermittlungsbeamten X am 8.7.2010 im Beisein des X einen Vermerk von diesem über die Aussage des Informanten (datiert auf den 14.06.2010) an den zuständigen Staatsanwalt. Dies hat Folgen: Ihm wird am 9.7.2010 durch den leitenden Kriminaldirektor H. die Sachbearbeitung entzogen und Umsetzung angekündigt. Würde er sich nicht freiwillig versetzen lassen, werde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Umsetzung erfolgt am 26.7.2010 gegen den Willen in eine andere Abteilung. Dabei wird dem Kriminalbeamten später (am 14.10.2010) vom LKA-Direktor bestätigt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit seinem Vorgehen Dienstpflichten verletzt habe.
Zu diesem Zeitpunkt war bereits Anklage vor dem Landgericht Kiel erhoben. Datum der Anklage 11.06.2010.
Vermerk des V-Mann Führers und Unterschlagung der Beweise
Nun fertigt der V-Mann-Führer endlich einen eigenen Vermerk über die Aussage, der zur Akte genommen wird (datiert auf den 19.07.2010).
Doch dieser ist, so Breyer, in drei Punkten falsch und wahrheitswidrig. Dies sei von den beiden Ermittlern beanstandet worden. Erstens hat der V-Mann-Führer den Hinweis nicht erst am 9.6.2010 erhalten wie vermerkt, sondern schon ca. zwei Wochen vorher anderen Beamten davon erzählt. Zweitens war dem V-Mann-Führer eine nähere Konkretisierung der nur verkürzt dokumentierten Aussage durchaus möglich; er hatte den Kollegen deutlich mehr erzählt. Drittens fehlt in dem Vermerk die Aussage, dass ein anderer Beschuldigter laut Informant zwar am Tatort gewesen sein, aber nicht zugestochen habe.
Der beanstandete Vermerk in den Akten lautet wie folgt:
Keine Aussagegenemigung der Beamten
Um die Ermittler daran zu hindern, die entlastende Aussage vor Gericht offenzulegen, erhalten sie keine Aussagegenehmigung diesbezüglich (nur der V-Mann-Führer, der den falschen Vermerk geschrieben hat, darf dazu aussagen). Das Gericht fordert einen der Ermittler auf eine Aussagegenehmigung beizubringen. Am 10.12.2010 schreibt daraufhin der Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums dem Gericht eine Sperrerklärung für „die in der Verfahrensakte anonyme Quelle“. Den Ermittlern zufolge führte diese Formulierung das Gericht in die Irre, denn sie erweckte den Eindruck, in dem Ermittlungsverfahren gebe es nur eine anonyme Quelle. Tatsächlich gab es eine V-Person im Rechtssinne, von der andere Informationen stammten, die aber nicht identisch mit dem hier in Rede stehenden Informanten war, bei dem die Voraussetzungen für Vertraulichkeit und Sperrerklärung nicht vorlagen. Nach Erhalt der Sperrerklärung fragt das Gericht nicht nach.
Entlastende Beweise sind mithin unterschlagen worden.
Sperrerklärung des Innenministerium
Die Sperrerklärung hatte den folgenden Wortlaut:
Darf das Landeskriminalamt entlastende Beweise unterschlagen
Die klare Antwort lautet hierzu nein. Gem. § 160 Abs. 2 StPO muss die Staatsanwaltschaft, als objektivste Behörde der Welt, auch entlastende Beweise zu ermitteln. In § 160 Abs. 2 StPO heißt es:
„Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.“
Selbes gilt mithin auch für die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, namentlich die Polizeibeamten, also auch die Beamten des LKA, haben gem. § 152 GVG und § 163 StPO die Pflicht, entlastende Umstände zu ermitteln.
Was wusste die Kieler Staatsanwaltschaft?
War die Kieler Staatsanwaltschaft an dem Rückhalt der Unterlagen beteiligt? Dies könnte man meinen, wenn man den Aussagen des Noch-Fraktionsvorsitzenden der Piraten Patrick Breyer Glauben schenken darf.
Auf seiner Homepage schreibt Herr Breyer:
„4. Nach langen und erfolglosen Bemühungen auf dem Dienstweg übergibt der unmittelbar Dienstvorgesetze des Ermittlungsbeamten X am 8.7.2010 im Beisein des X einen Vermerk von diesem über die Aussage des Informanten (datiert auf den 14.06.2010) an den zuständigen Staatsanwalt. Dies hat Folgen: Ihm wird am 9.7.2010 durch den leitenden Kriminaldirektor Höhs die Sachbearbeitung entzogen und Umsetzung angekündigt. Würde er sich nicht freiwillig versetzen lassen, werde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Umsetzung erfolgt am 26.7.2010 gegen X Willen in eine andere Abteilung. Dabei wird dem Kriminalbeamten später (am 14.10.2010) vom LKA-Direktor bestätigt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit seinem Vorgehen Dienstpflichten verletzt habe.“
Demnach soll einer der beiden geschassten Beamten dem zuständigen Staatsanwalt, Herrn Oberstaatsanwalt „O.“ im Beisein von seinem Dienstvorgesetzten, seinen Vermerk über die vollständige Aussage des Informanten übergeben haben. Das Merkwürdige daran, einen solchen Vermerk des seinerzeit leitenden Ermittlungsbeamten R. gibt es in der Akte 593 Js 3921/10 der Staatsanwaltschaft Kiel nicht. Also hat auch der leitende Oberstaatsanwalt O. diesen Vermerk nicht zur Akte genommen.
Diesen Vermerk hätte Oberstaatsanwalt O. aber zur Akte nehmen müssen. Ich verweise insoweit auf meine vorhergehenden Ausführungen.
Was weiß die Staatsanwaltschaft noch?
Dies lässt sich so nicht konkret beantworten. Allerdings lässt sich so Einiges vermuten und spekulieren.
Es stellt sich die Frage, wer letztendlich über die Einstellung der Strafanzeigen der Polizeibeamten entschieden hat? Was es OBerstaatsanwalt O. der in fast allen Rockerverfahren der leitende Staatsanwalt war? Oder war es eine Staatsanwältin die nunmehr Gerüchten nach Oberstaatsanwältin sein soll und nicht mehr in Kiel arbeitet? Ermittelt hatte seinerzeit zwar das Landeskriminalamt Mecklenburg Vorpommern. Allerdings die abschließende Entscheidung wird die Staatsanwaltschaft Kiel als zuständige Staatsanwaltschaft getroffen haben. Es sei denn, die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hat die Ermittlungen an sich gezogen.
Ferner gibt es ein Verfahren „Subway II“, welches im Jahre 2014 erneut durch die Staatsanwaltschaft Kiel gegen zwei Mitglieder der ehemaligen Neumünsteraner Bandidos geführt wurde. In diesem Verfahren ist einer der beiden Beschuldigten auf Grund eines Haftbefehls in Untersuchungshaft gekommen. Dieser Haftbefehl wurde kurze Zeit später unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Auch in diesem Verfahren, in welches ich Akteneinsicht gehabt hatte, da ich einen der beiden Beschuldigten vertreten habe, befindet sich der Vermerk des ehemaligen LKA-Beamten nicht.
Erfahrungen aus anderen Verfahren
Auch aus anderen Verfahren habe ich die Erkenntnis, dass das hiesige Landeskriminalamt die Aktenwahrheit und die eigentliche Objektivität der Ermittlungsbeamten nicht so ganz ernst zu nehmen scheint. Auch in anderen Verfahren habe ich teilweise den Eindruck gehabt, dass nicht alle entlastende Beweise in den Akten sind und unterschlagen werden. In einem ganz konkreten Verfahren kann ich die Frage sogar klar beantworten.
Einer meiner Mandanten war beim Amtsgericht Neumünster angeklagt, öffentlich das Nichtöffentlich gesprochene Wort einer Dritten Person veröffentlicht zu haben. Ein Großteil dieser Äußerungen waren auf einer dänischen Internetseite öffentlich verbreitet worden. Meine Frage an den seinerzeit leitenden KOK „Willi Brause“ vom LKA Kiel lautete in etwa wie folgt:
„Gab es Hinweise auf einen anderen Täter als auf den Angeklagten?“
Antwort: Ja.
Frage: Bitte?
Antwort: Ja. Es gab Hinweise.
Frage: Auf wen?
Antwort: Auf Hern XYZ……..
Frage: Wieso?
Antwort: Der Beamte führte hierzu aus.
Frage: Wieso kann ich all dies, Hinweise auf einen möglichen anderen Täter, Namen des vermeintlichen Tatverdächtigten, etc. nicht in den Akten lesen?
Antwort: Wir haben es nicht für notwendig erachtet, diesen Umstand und die Hinweise in die Akte zu nehmen. Wir waren sicher, dass wir mit ihrem Mandanten den richtigen Täter haben.